Kein Deal für Paul: Die Löwen im Shitstorm

Eigentlich hätte die Sendung vom 18. September 2018 ein weiteres sehr erfolgreiches Kapitel für die Höhle der Löwen werden können. Gleich drei von fünf Startups sicherten sich einen Deal. Mit smartsleep schlossen Carsten Maschmeyer und Ralf Dümmel sogar eine Beteiligung von 33 Prozent für 1,5 Millionen Euro. Der größte Deal in der Geschichte der Höhle der Löwen. Der Gründer war eigentlich nur auf der Suche nach 250.000 Euro, aber die fünf Löwen hatten sich gegenseitig hochgeboten. Sogar ein kippelndes Holzbrett und Klebepunkte gingen mit einem Investment aus dem Studio. So weit so normal für die Löwen Shoppingtour.

Paul von SIM Characters erobert die Herzen

Dann aber kam Paul und eroberte die Herzen der Zuschauer. Die Animatronik-Puppe aus Österreich ist ein Simulator für frühgeborene Säuglinge in der 27. Schwangerschaftswoche. Anhand von Paul und seinen Geschwistern, die für 50.000 Euro an medizinische Trainingszentren und Krankenhäuser verkauft werden, können Ärzteteams die Lebensrettung von Frühchen üben. 10 Prozent aller Kinder wird zu früh geboten und viele Behandlungsfehler lassen sich durch Training vermeiden. Dazu sieht Paul auch noch lebensecht aus. Das ging nicht nur den Zuschauern sondern auch den Löwen ans Herz.

Die Löwen ernten Shitstorm

Investieren wollte aber keiner der Löwen. Keiner habe die Vertriebsstrukturen oder das Netzwerk und das Knowhow, das Medizin-Startup zu unterstützen. Carsten Maschmeyer zögerte am längsten. Aber seine mehrmalige Erfahrung mit dem Vertrieb an Krankenhäuser ist, dass es schier unmöglich sei, dort an die erforderlichen Budget-Töpfe heranzukommen. Alleine mit Geld sei SIM Characters, wie das Unternehmen hinter Paul heißt, aber nicht zu helfen. Mit 1 Million Euro war der angemeldete Kapitalbedarf des Gründers auch so hoch, dass er selbst für die vereinten Löwen am Ende kaum aus der Kaffeekasse zu zahlen gewesen wäre.

Boykott-Aufrufe und Beschwerde-Mails

Die Zuschauer waren außer sich vor Empörung, dass diese sinnvolle Idee wirklich ohne Deal aus der Höhle ging. Auf Facebook, Twitter und in Blogkommentaren machten sie ihrem Unmut Luft. Einige schrieben sogar E-Mails an die Löwen. Ein regelrechter Shitstorm entfaltete sich und mehrere Nutzer taten kund, die Sendung fortan nicht mehr anschauen zu wollen. Tenor der Empörung: Für Schlaftabletten und ungesunden Keksteig sei Geld da, aber um Leben zu retten nicht. „Für die Millionäre“ wäre eine Investition demnach ein Leichtes gewesen und man sei wohl immer nur auf Profit aus.

Dagmar Wöhrl nimmt Stellung

Als erste und bisher einzige Löwin nahm Dagmar Wöhrl Stellung zu der Social Media Wut. Mit ihrem persönlich betreuten Nutzeraccount bei Facebook kommentierte sie und erklärte noch einmal ihre Sichtweise. Mit Geld alleine sei SIM Characters nicht zu helfen. Es bringe nichts, mehrere Puppen zu produzieren, die dann keinen Abnehmer fänden, schreibt sie und diskutiert aktiv mit den aufgebrachten Nutzern. Deren Unmut kann sie gut verstehen. Zum Ende ihres Statements schrieb sie in Erwartung der fehlenden Einsicht einiger Nutzer „Jetzt könnt ihr auf mich draufhauen“. Viele Nutzer erkannten die persönliche Rückmeldung respektvoll an und zeigten Verständnis. Andere waren nicht von ihrer Argumentation abzubringen. Ob sich noch weitere Löwen oder das Produktionsumfeld äußern werden, ist derzeit ungewiss.

Die Löwen sind keine Unmenschen

In der Höhle der Löwen geht es um Business-Entscheidungen. Mehr oder weniger authentisch werden Investitionen in skalierbare und profitable Unternehmen getätigt, die eine Rendite versprechen. Die Höhle der Löwen ist eine emotionale Sendung, in der immer wieder auch die Gründergeschichten in den Vordergrund rücken und oft treffen die Löwen auch mal Bauchentscheidungen, aber die Höhle der Löwen ist keine Charity-Sendung. Auch „Millionäre“ können ihr Geld nicht einfach so verschenken ohne das Gefühl, dass es das Unternehmen wirklich langfristig weiterbringen würde.

Die Höhle der Löwen ist eine Business-Sendung

Mit dem hohen Kapitalbedarf haben sich die österreichischen Gründer keinen Gefallen getan, denn es hat den Löwen erschwert, einzusteigen. Niemand würde ohne Sicherheiten und mit schlechtem Gefühl ins Risiko von 1 Million Euro gehen, solange das Produkt noch nicht ausreichend nachgefragt wird und für viele Krankenhäuser schlichtweg kaum bezahlbar ist. Keiner der Löwen hat das Knowhow, dem Unternehmen technisch oder durch Kontakte weiter zu helfen. Mit der gleichen Begründung investierten auch die fünf Investoren der österreichischen Höhle der Löwen „2 Minuten 2 Millionen“ zwei Jahre vorher nicht in SIM Characters. Auch ihnen fiel es sichtlich schwer, abzusagen. Den Clip kann man auf Youtube oder der puls4-Website anschauen.

Die Löwen zeigen immer wieder viel Herz

Die Löwen haben dabei durchaus in der Vergangenheit auch schon oft Herz gezeigt. Im letzten Jahr investierten Dagmar Wöhrl und Carsten Maschmeyer in Moveaid / ReMoD, eine Laufhilfe für halbseitig gelähmte Schlaganfallpatienten. Das Biofeedbacksystem, das als künstliches Gleichgewichtsorgan funktioniert, suchte allerdings auch nur 200.000 Euro und ist ein Endverbraucherprodukt, kein Krankenhausprodukt. In einer reinen Return-on-Investment-Betrachtung oder auch ohne Gewinn nur in einer Cashflow/Businessplanung, die unternehmerisches Planen ermöglicht, ist es leichter einzuschätzen als ein sehr teures High Tech Produkt aus dem B2B-Vertrieb.

Ralf Dümmel ist ebenfalls mehr als nur „Mister Regal“. Dem Chef des Handelsunternehmens DS Produkte merkt man immer wieder an, wie viel Wert er auf persönliche Geschichten legt und wie sehr ihm die Gründerpersönlichkeiten am Herz liegen.

Helfen kann jeder!

Viele der Löwen, insbesondere Dagmar Wöhrl und Judith Williams, engagieren sich persönlich für gute Zwecke. Ein Großteil des Verkaufs aus Williams Buch geht beispielsweise an eine Leukämie-Stiftung.

Man muss aber auch kein „Millionär“ sein, um Gutes zu tun. Jeder kann helfen.

Spenden & Helfen

Kontakt zu SIM Characters:
Website | Facebook

Spendenaufruf Paul @ Städtisches Klinikum Dresden:
Website Förderverein

Dagmar Wöhrls Engagements*:
Spenden für Unicef | Emanuel Wöhrl Stiftung | Help – Hilfe zur Selbsthilfe | ReMoD/MoveAid

Judith Williams Engagements*:
SOS Kinderdorf | José Carreras Leukämie Stiftung | Karo e.V.

 

*Angaben entsprechen den offiziellen Websites der Löwinnen