Nackt Shopping: Die kuriosen Marketingideen des Handels

Marketing-Strategen lassen sich gerne kuriose Dinge einfallen, um Kunden in den Point of Sale zu locken und Medien auf sich aufmerksam zu machen. Nicht neu, aber selten kurios ist das sogenannte Nackt-Shopping.

Ganze 23.000 Euro Marketing-Geld kostete einen Supermarktleiter aus Süderlügum in Schleswig-Holstein an der deutsch-dänischen Grenze im Juni 2012 seine Fillialeröffnung. Geschäftsführer Niels Sterndorff vom Supermarkt „Priss“ entschied sich für eine aufmerksamkeitsstarke Nacktshopping-Aktion. Die ersten 100 nackten Shopper durften für bis zu 2000 Kronen (ca. 270 EUR) im Supermarkt einkaufen. Viele Teilnehmer reisten extra für die Aktion an und campierten mit Zelten über Nacht auf dem Grundstück. Die überwiegend dänischen Shopper kauften vorrangig Spirituosen und Süßigkeiten, welche in Dänemark teuer sind. Probleme mit anderen Ladeninhabern oder der Polizei gab es nicht. Die zählte insgesamt sogar 250 Teilnehmer. Deutlich mehr als erwartet.

Nackt kommen, angezogen gehen

Kein Wunder, denn Nacktshopping sorgt für Aufmerksamkeit. Bereits vor fast 20 Jahren gab es diese ungewöhnliche Marketing-Idee in Österreich. Die Kampagne der österreichischen Kaufhauskette Kleider Bauer schlug besonders hohe Wellen. „Wer nackt kommt, wird angezogen“ hieß es damals. Es kamen aber nicht nur die „Nackerten“ und derer nicht zu wenig sondern auch die nationale und internationale Presse. Bis nach Thailand und Zimbabwe reichte damals die Berichterstattung.

Auf die Barrikaden gingen vor allem die Sittenwächter der Gewerkschaften und der Österreichische Werberat, welche die Aktion für ethisch und moralisch verwerflich hielten. Auch die Gendarmerie zeigte wenig Verständnis für die „Anstandsübertretungen“. Die österreichische Gesetzgebung sah für derartige Ordnungsstörungen Geldstrafen bis zu 10.000 Schilling vor. Dem Veranstalter machte dies jedoch keine Angst und das Nacktshopping wurde wie geplant durchgeführt.

Große Medienaufmerksamkeit

Vom 28. Februar bis 18. März 2000 jeweils montags öffnete Kleider Bauer sein 40 Häuser starkes Fillialnetzwerk für Shopping-Nudisten in ganz Österreich. Den ersten fünf nackten Kunden schenkte der Shoppingriese an der Kasse ein Warengutschein in Höhe von 5.000 Schilling (ca. 360 EUR). Die Resonanz bei den Kunden war enorm und trotz vereinzelter polizeilicher Eingriffe in den Aktionsablauf kamen Hunderte Flitzer an den Aktionstagen vorbei. Stolze 77 Jahre war die älteste Teilnehmerin alt.

Die Presse berichtete rund um die Welt über die Shopping-Aktion. Ärger gab es dabei jedoch für eine Tageszeitung in Zimbabwe, welche Flitzerfotos der Aktion abdruckte. Auch die dortige Polizei hielt das Foto für anstößig, pornografisch und unvereinbar mit der Pressegesetzgebung des Landes. Von der Redaktion war dieses Vorgehen wiederum als Schritt gegen die Pressefreiheit und als Eingriff des Staates respektive Einschüchterungsversuch der Regierung aufgefasst worden.

Verbreitung des Nackt-Shoppings

Die gemeinsame Aktion der Agenturen AHA/Puttner Bates für Kleider Bauer war die vermutlich effektvollste, aber nicht die erste Nacktshopping-Aktion. Es scheint jedoch, als hätten gerade die Österreicher eine spezielle Liebe zum Nudisten-Einkauf. Bereits in den 70er Jahren hatte der Wiener Herrenmodenausstatter Glatter zum Nacktshopping eingeladen. Damals kamen lediglich fünf Nackte und schon in den 70ern sah sich die Gendarmerie offenbar genötigt, mit einer Anzeige einzuschreiten.

In Deutschland gab es ebenfalls Veranstalter des Nackt-Shopping-Trends. Womöglich kreativ beflügelt vom großen Erfolg im südlichen Nachbarland. Im Sommer 2001 warteten rund 400 nackte Shopper vor dem Sport-Warenhaus Decathlon auf dem EXPO-Gelände in Hannover auf Einlass. Die ersten 55 Nackten erhielten einen Warengutschein über 555 Mark (ca. 284 EUR) für Sportkleidung- und Ausrüstung. Sie durften den ganzen Vormittag nackt shoppen und sich dabei von der anwesenden Presse fotografieren und filmen lassen. Unter anderem war das Sat.1 Magazin Bl!tz vor Ort. Für alle Nudisten, die nicht zu den ersten 55 zählten, gab es vom Veranstalter immerhin kurze Hosen geschenkt, mit denen die Blöße schnell wieder bedeckt werden konnte.

Semi Naked Shopping

Was Blöße angeht nicht ganz mutig, aber dafür konsequent vom Erfolg derartiger Aktionen überzeugt, zeigt sich die spanische Modekette Desigual. Sie lässt seit 2009 immer wieder Kundinnen und Kunden in Unterwäsche vor ihren Fillialen antreten und spendiert den ersten 100 Halb-Nackedeis ein Outfit bestehend aus einem Ober- und einem Unterteil nach Wahl, für die diese nichts zahlen mussten. Die Seminaked-Party unter dem Motto „Komm halbnackt herein, geh angezogen wieder raus!“ findet seit über 10 Jahren unregelmäßig in Desigual-Filialen auf der ganzen Welt von New York über Madrid, Wien und Berlin bis nach Tokyo statt.

Auch in Russland kamen schon Shopper in Unterwäsche ins Geschäft. Ein Supermarkt in Moskau erlaubte seinen Kunden 2009 kostenlos so viele Waren mitzunehmen, wie sie tragen konnten. Voraussetzung war allerdings, dass sie in Unterwäsche erscheinen. Trotz des russisch kalten Winters kam eine große Teilnehmerzahl. Angesichts der Fernsehbilder mit Lebensmitteln vollbepackter, halbnackter Russen urteilte ein US-amerikanischer Sender, der menschliche Körper sei womöglich von Natur aus nicht optimal für das Tragen von Einkäufen geeignet.

Marketing-Kuriosität

Das Nacktshopping ist ein merkwürdiger Trend, der immer wieder sporadisch von sich reden macht und in Zeiten von Social Media garantiert viral geht. Vielleicht kommt irgendwann ein findiger Marketeer und digitalisiert das ganze auch noch. Bis dahin steht es natürlich jedem frei, rund um die Uhr und jederzeit am Computer nackt oder in Unterwäsche online zu shoppen. Die Polizei wird auch garantiert nicht eingreifen, solange der dafür verwendete PC in der heimischen Wohnung und nicht im Elektronikfachgeschäft steht.