Lieferzeiten als Schwachstelle des Liveshoppings?

Man liest es immer wieder in den Shopbewertungen:

Tolles Produkt! Live-Shopping-Ekstase! Binnen 24 Stunden bestellt, sofort bezahlt und dann…? Sollte doch schnell gehen! Amazon schafft es doch auch binnen 2 bis 3 Tagen. Dann aber nach einer Woche die Email: Lieferverspätung. Neue Lieferzeit: 3 Wochen! Ist das etwas, was man beim Liveshopping immer wieder in Kauf nehmen muss? Der Liveshoppinginsider sagt „Ja“ und erklärt, warum wir alle viel zu verwöhnt sind:

Irrtum 1: „Liveshoppinganbieter verkaufen nur, was auch auf Lager ist“

Liveshopping funktioniert nicht wie ein herkömmlicher Shop und schöpft aus keinem Sortiment – Alternate, Quelle und Tchibo vielleicht mal ausgenommen. Liveshopping bedeutet: Jeden Tag ein neues Produkt. Die Schnäppchenjäger sitzen dabei nicht nur vor dem Computer sondern auch in den Büros der Shopbetreiber. Jeden Tag ein neues Produkt, das bedeutet kurzfristig zum besten Preis einzukaufen und sich dabei immer an die aktuelle Preisentwicklung anzupassen. Wer zu früh einkauft, läuft Gefahr, dass der Marktpreis beim Weiterverkauf bereits gefallen ist und daher die Marge nicht mehr stimmt. Eingekauft wird auch nicht bei einem einzigen Großhändler sondern bei Herstellern, Vertriebspartnern, Lieferanten aller Couleur. Nicht jeder Hersteller hat auch eine inländische Vertretung.

Durch den Zwang des kurzfristigen Einkaufs entstehen Liefertermine, die durchaus auch wenige Tage nach dem Zeitpunkt des Angebots auf der Website liegen können. Das Ganze nennt sich im Fachjargon „Just in Time“ und bedeutet, dass eine Lieferung genau in dem Moment eingeht, wenn sie für Produktion oder Weiterverkauf benötigt wird. Beim Liveshopping bedeutet das eine Anlieferung zu einem Zeitpunkt, welcher die Weiterversendung noch binnen der in den AGB festgeschriebenen Lieferzeiten ermöglicht. Die auf diese Art gering gehaltenen Lagerkosten sind einer der Gründe, weshalb Liveshopping-Anbieter die Niedrigstpreise anderer Shops unterbieten können.

Irrtum 2: „Lieferantenprobleme sind typisch für Liveshopping.“

Für eine verspätete Zulieferung kann es die verschiedensten Gründe geben: Von Lieferproblemen des Herstellers und verspätete Abwicklung des Zwischenhändlers über Zollprobleme, Fernfahrerstreik, vorrübergehender Transportverlust bis hin zum Untergang der Ware. Das passiert bei jedem Onlineshop und jedem Ladenhändler.  Liveshopping hat jedoch keine Pufferzone. Die Ware ist schon verkauft oder der Verkaufstermin muss eingehalten werden. Für ein Ausweichen auf andere Ware ist es zu spät.

Jede Störung dieses Liefergefüges wird unmittelbar an den Live Shopper weitergegeben. Ist bei Amazon eine Ware nicht vorrätig, fällt es aufgrund des großen Sortiments und der geringen Tages-Abverkaufshöhe dieses einzelnen Produktes nicht weiter auf. Beim Liveshopping sind jedoch gleich mehrere hundert oder tausend Kunden betroffen. Im Gegensatz zum herkömmlichen Onlineshopping gehen die meisten Live-Shops zudem offensiver mit Informationspolitik um, weshalb man eben mehr über die neue Lieferverzögerung bei Guut, Schutzgeld oder iBood liest als über Lieferverzögerungen bei Amazon oder einem PC-Shop.

Irrtum 3: „Der Shop hält seine Vertragsverpflichtung nicht ein“

Jeder große Liveshopping-Anbieter ist durch seine AGB doppelt und dreifach für diese Fälle abgesichert. Die meisten AGB sind mit Rücktrittsrechten für den Verkäufer zugepflastert. Das gilt jedoch sowieso alles erst dann, wenn auch ein Vertrag zustande gekommen ist.

Ein häufiger Irrtum beginnt aber schon mit dem Vertragsschluss. Fast alle Shops bestätigen zunächst nur den Bestelleingang. Das Tagesangebot ist juristisch gesehen noch kein rechtsverbindliches Angebot auf Vertragsabschluss, sondern lediglich eine Einladung, ein solches Angebot abzugeben. Bei den Juristen heißt das „Invitatio ad offerendum“. Mit Absenden der Bestellung gibt der Käufer ein Angebot auf Vertragsabschluss ab. Die erste E-Mail des Shops bestätigt aber in aller Regel nur, dass die Bestellung im System eingegangen ist und bearbeitet wird. Für einen wirksamen Vertrag bedarf es einer Annahmeerklärung. Diese geht meistens erst dann raus, wenn die Ware auch verschickt wird. Hier sollte man im Gedächtnis behalten, dass man Bestellungen auch vor Versand stornieren kann. Gegebenenfalls bereits erbrachte Kaufpreisleistungen sind dann zurückzugewähren.

Eine interessante aber theoretische Frage ist, ob der Live Shop auf jede Lieferzeitabweichung von den AGB gesondert in der Produktbeschreibung hinweisen muss. Selbst wer das bejaht, muss eingestehen, dass das in der Praxis gar nicht möglich ist, sofern die Lieferverzögerung zum Verkaufszeitpunkt noch nicht eingetreten ist. Viele Shops informieren über Verzögerungen jedoch per E-Mail.

Irrtum 4: „Nichteinhaltung von Lieferzeit ist gezielte Abzocke“

Betrugsfälle sind bisher keine bekannt. Späte Zulieferung verursacht auch bei den Liveshopping-Anbietern in erster Linie Stress. Mitarbeiter müssen der Ware hinterher telefonieren, Kundenbetreuer müssen E-Mails beantworten. Werden als Entschädigung Coupons ausgegeben, kostet die Lieferverspätung richtig Geld, denn die knapp bemessenen Margen im Liveshopping decken die Extrakosten oft nicht. Problematisch sind aber auch die unzufriedenen Kunden, die nicht noch einmal kaufen oder sogar von Ihren schlechten Erfahrungen anderen berichten.

Dennoch sollte man nicht gleich drohen oder mit Paragrafen wedeln. Die Lieferung beschleunigt es nicht, das Geld gibt’s bei Nichtlieferung ohnehin zurück und im Zweifel ruft eine Drohung eher die Anwälte als die Problemlöser des Shopbetreibers auf den Plan. Am besten ist es immer, den persönlichen Kontakt zu suchen. Viele Shops haben für solche Fälle Marketingbudget vorgesehen. Wenn die reguläre Lieferzeit um mehr als 5 Werktage überschritten wird, lohnt es sich, nach einem Rabattcoupon zu fragen.

Alles in allem sollte man im Liveshopping immer damit rechnen, dass die Lieferzeiten mit Amazon & Co. nicht mithalten können. In 9 von 10 Fällen geht alles glatt, aber der eine Fall kostet Nerven.