Theranos: Der tiefe Fall und Wiederaufstieg von Elizabeth Holmes

Neun Milliarden US-Dollar soll ihr Startup-Unternehmen einst wert gewesen sein. Elizabeth Holmes galt mit 4,5 Mrd. Dollar als die jüngste Self-Made-Milliardärin der Welt. Die Zeitschrift Time wählte sie zu einem der einflussreichsten Menschen unserer Zeit und die Magazine Forbes und Fortune brachten Ihr Gesicht auf ihren Titelblättern. Mit einer medizinischen Revolution wollte ihr Startup Theranos schnelle Bluttests für Jedermann auf AIDS, Hepatitis und mehr anbieten.

Dann kam der tiefe Fall. Von Täuschung und Betrug war die Rede. Mehrere US-Behörden ermitteln gegen die Gründerin. Die Labore mussten geschlossen werden. Investoren und Geschäftspartner verklagten das Unternehmen. Doch diese schwierige Phase könnte nun durchgestanden sein. Elizabeth Holmes und Theranos könnten noch einmal an alte Erfolge anknüpfen. Für den Weg war viel Demut und Glauben erforderlich. Was zum Erfolg aber weiterhin fehlt sind der technologische Durchbruch und womöglich Kapital.

Wunderkind Elizabeth Holmes

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Elizabeth Anne Holmes (*3. Februar 1984) galt als Wunderkind. Schon in der Schulzeit lernte sie nebenbei Mandarin. In der High School entdeckte sie ihr Interesse an Programmierung und gründete ihre erste Firma, die C++ Compiler an Chinesische Universitäten verkaufte. Für ihr Chemieingenieurswesen-Studium an der Stanfort University erhielt sie ein Stipendium für ein Forschungsprojekt. Dabei lernte sie ihren Professor und späteren Thenaros-Berater Channing Robertson kennen. Nach dem ersten Studienjahr ging sie nach Singapur, um dort an einem Test für SARS zu forschen.

Elizabeth Holmes war gerade erst 19 Jahre alt, als sie im Büro Channing Robertsons stand und ihr Studium schmiss. „Lass uns stattdessen eine Firma gründen,“ soll sie gesagt haben. In der Hand hatte sie ihre Patentanmeldung für eine Blutanalysetechnik, die sie selbst entwickelt hatte. Diese Technik sollte als Schnelltest möglich sein. Robertson war Feuer und Flamme, glaubte den weiblichen Bill Gates oder Steve Jobs vor sich zu sehen. Holmes gründete Theranos.

Blut-Schnelltests

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12 Jahre später stand das Medizinprodukt angeblich vor der Marktreife. Das Analysegerät Edison, benannt nach dem Erfinder Thomas Edison, soll mit nur einem Tropfen Blut von der Fingerpitze einfache, sichere und kostengünstige Schnelldiagnosen von Aids und Hepatitis versprechen. Bis zu 70 verschiedene Tests sollte der Blutabnahmestift ermöglichen. Als größten Partner gelang es, die US-amerikanische Apothekenkette Walgreen zu gewinnen, die Schnelltests in ihren Fillialen ermöglichte. Zehntausende von Tests waren bereits durchgeführt worden.

Das beeindruckte nicht nur die Medizin- und Startup-Branche sondern auch potenzielle Investoren. 750 Millionen US-Dollar sammelte Theranos in einer letzten Finanzierungsrunde 2014 von Risikokapitalgebern. Darunter auch den Hedgefonds Partner Fund Managment (PFM),  der rund 96,1 Millionen investierte. Aus der Kapitalrunde ergab sich eine Firmenbewertung von neun Milliarden Dollar und Theranos beschäftigte rund 790 Mitarbeiter. Holmes war jetzt der Shooting-Star am Startup-Himmel, laut Forbes vermeintlich mehrere Milliarden schwer.

Journalist enthüllt große Täuschung

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Dann aber kam der Wendepunkt. In einer Reihe von Enthüllungsberichten deckte das Wall Street Journal im Herbst 2015 auf, dass erhebliche Zweifel an der Technologie bestanden. Die entwickelten Bluttests sollten ungenau sein und keine verlässlichen Ergebnisse liefern. Theranos musste zehntausende seiner Bluttests zurückrufen – sämtliche, die jemals vorgenommen wurden und einräumen, es sei nicht auszuschließen, dass Patienten basierend auf den falschen Ergebnissen behandelt worden waren.

Das Justizministerium, die US-Börsenaufsicht (SEC), der medizinische Dienst der US-Krankenversicherung Medicare (CMS) und die Arzneimittelbehörde (FDA) nahmen Ermittlungen auf. In der Folge stellte sich heraus, dass in den beiden Theranos Laboren in Kalifornien und Arizona unqualifiziertes Personal gearbeitet hatte und Unregelmäßigkeiten aufgetreten waren. Der Vertriebspartner Walgreen verklagte Theranos auf Rückzahlung von 140 Millionen US-Dollar und auch der Hedgefonds PFM fühlte sich hinsichtlich der Marktreife getäuscht und wollte seine 96,1 Millionen Dollar Investment zurück.

In den Laboren wurden im Zuge der Ermittlungen der US-Behörden etliche Unregelmäßigkeiten festgestellt. Holmes und ihr Unternehmen verloren 2016 daher für die Dauer von zwei Jahren die Genehmigung zum Besitz oder Betrieb von Laboren. 340 Mitarbeiter verloren ihre Jobs und beide Labore mussten geschlossen werden. Für Elizabeth Holmes bedeutete der Skandal einen Gesichtsverlust.

Forbes korrigierte den Firmenwert auf 800 Millionen US-Dollar und hielt dabei die bisherige Finanzierung in Höhe von 750 Millionen Dollar sowie Anlagegüter und das geistige Eigentum des Unternehmens wie die 239 Patente zugute. Die Schätzung von Holmes‘ Privatvermögen wurde von 4,5 Milliarden auf Null korrigiert. Obwohl ihr 50 Prozent des Unternehmens gehört, ginge sie aufgrund der Vorzugsanteile der anderen Investoren bei einer Liquidierung leer aus.

Wo steht Theranos heute?

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Man kann kaum sagen, Elizabeth Holmes sei wieder da. Wer sie fragt und wer ihren kämpferischen weg verfolgt, gewinnt sehr schnell den Eindruck, sie sei nie weg gewesen. Lange war die Zukunft des Unternehmens dabei ungewiss, doch Elizabeth Holmes glaubte stets daran, für die richtige Sache einzustehen und ihren Weg trotz des gravierenden Rückschlags weiter zu gehen. Das Unternehmen geht dabei sehr transparent mit seinen Fehlschlägen und offenen Rechtsstreitigkeiten um.

  • 17. April 2017: Theranos gibt bekannt, dass alle rechtlichen Angelegenheiten mit dem medizinische Dienst der US-Krankenversicherung Medicare (CMS- Centers for Medicare & Medicaid Services) beigelegt sind. Im Juli 2016 hatte dieser dem Unternehmen eine Reihe von Sanktionen und Strafen aufgrund der Unstimmigkeiten im kalifornischen Labor auferlegt. Theranos war in dieser Zeit sehr bemüht gemeinsam mit dem CMS an Lösungen zu arbeiten.
  • 18. April 2017: Mit dem Attorney General in Arizona einigte sich das Unternehmen auf eine Rückerstattung des Kaufpreises aller Bluttests zwischen 2013 und 2016 ungeachtet dessen ob das Ergebnis korrekt oder verfälscht war, mit einer Gesamtsumme von 4,65 Millionen US-Dollar. Darüber hinaus einigte man sich auf eine Strafzahlung von 200.000 USD und die Übernahme der Rechtskosten von 25.000 USD.
  • 1. Mai 2017: Theranos und der Hedgefonds Partner Fund Management LP (PFM) einigen sich darauf, dass alle Forderungen gegen die Firma und das Management fallen gelassen werden. Die genauen Konditionen der Einigung sind unbekannt.
  • 20. Mai 2017: Im Rahmen einer Shareholder-Rekapitalisierung wurden die Beteiligungsverhältnisse der Gesellschafter der Series C1 und Series C2 Finanzierungsrunde neu geregelt. Zugleich sind etwaige Rechtsansprüche der bestehenden Shareholder abgegolten. Elizabeth Holmes gab hierfür einen Teil ihrer Unternehmensanteile auf, damit es für die anderen Investoren zu keiner Verwässerung kommt.
  • 1. August 2017: Der Rechtsstreit mit der Apothekenkette Walgreen Co. und Walgreens Boots Alliance ist beigelegt. Die genauen Konditionen der Einigung sind unbekannt.

In den 16 Monaten nach dem Skandal hat Theranos außerdem etliche Restrukturierungen durchlebt. Ein deutlich erfahreneres Management-Team und ein Qualitätssicherungs-Programm sorgen für geregelte Arbeitsabläufe und die Einhaltung von Regularien. Der Beraterstab ist durch Experten aus Technologie, Medizin und Wissenschaft deutlich erweitert worden. Das Unternehmen hat sich auf sein Tabletop miniLab refokussiert und arbeitet weiter an der Vision, einfacher, schneller und zuverlässiger Bluttests mit mobilen Laboreinheiten. Das einzige Problem für Theranos könnten die hohen Rechtskosten sein. Das Wall Street Journal spekuliert bereits, dass das Unternehmen nur noch für fünf weitere Monate liquide ist und wieder dringend frisches Kapital braucht.

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Bildnachweis Titelbild: Theranos Pressekit – Elizabeth Holmes